Laudatio Chemnitzer Friedenspreis für die „Omas gegen rechts“
Melanie Hartwig und Dorothee Lücke
Ihre Mutter und Oma haben dem Naziregime nichts entgegengehalten.
Sie haben geschwiegen, sich als Frauen ruhig verhalten.
Das hat sie schon als junge Frau sehr beschäftigt.
Sie wollte es anders machen. Zur Wendezeit ist sie darum mit auf die Straße gegangen.
Und heute, alt geworden, sieht sie die Demokratie und den Frieden wieder in Gefahr.
Für ihre Enkelinnen setzt sie sich darum jetzt ein, sie engagiert sich für ein besseres Miteinander in unserer Stadt - obwohl sie jetzt selbst in einem Alter ist, in dem viele nur noch zu Hause bleiben und ihre Krankheiten pflegen.
Ich traf sie vor dem Smac, am 18. Januar, bei der Eröffnung der Kulturhauptstadt.
Plätzchen verteilte sie und hielt ein buntes Schild, auf dem stand: „Für Vielfalt und Menschenrechte“.
“Chemnitz ist unsere Stadt“ sagte sie. Und erzählte mir von ihrer Gruppe, die ihr Mut gibt.
„Am Anfang haben sich 5 Frauen zusammengeschlossen. Das war nach den Vorfällen von 2018. Jetzt sind wir schon ungefähr 30, und werden immer mehr. Lauter tolle Frauen und Männer lerne ich in der Gruppe kennen.
Einmal im Monat treffen wir uns mindestens, um Projekte und um Aktionen zu organisieren, ein weiteres Mal für Gespräche zu aktuellen Themen. Wir wollen uns weiterbilden, um uns zu befähigen zu argumentieren, wir brauchen Faktenwissen.
Überwiegend ältere Frauen sind wir, die sich einmischen wollen in den politischen Diskurs. Aber eigentlich ist bei uns jeder willkommen. Wir sind eine ganz gemischte Gruppe, wählen verschiedene Parteien und haben unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen. Der Mitte der Gesellschaft fühlen wir uns zugehörig, die nicht mehr schweigen sollte, sondern endlich etwas tut.“
Wie gut ihr diese Gruppe selber tut, berichtete sie. Hier kann sie auftanken und findet den Mut, Position zu beziehen. Als Ältere wollen sie Gesicht zeigen.
Viele von ihnen sind in Rente und haben Zeit, die wollen sie einbringen.
Weil sie es wichtig finden, die Vergangenheit nicht zu vergessen, putzen sie z.B. Stolpersteine am 9. November,
vor Wahlen hatten sie in der Innenstadt Wahlermutigungsstände,
hier haben sie vor allem Gespräche geführt, zugehört, um zum Wählen zu ermutigen, überparteilich aber gegen rechts.
Sie haben das Gespräch gesucht mit Politikern und Politikerinnen, haben Fragen gestellt und sie um eine Positionierung gebeten,
Regelmäßig gehen sie auch in Schulen, um mit Kindern lesen zu üben,
in verschiedene Glaubenshäuser in unserer Stadt haben sie sie begleitet, um Toleranz zwischen den Religionen schon bei jungen Menschen zu fördern,
an Festen und Großveranstaltungen in Chemnitz beteiligen sie sich regelmäßig, zum Beispiel bei „Chemnitz liest“.
Beim KOSMOS haben sie eine große Tafel angeboten, wo man zusammen essen und sich austauschen konnte,
Workshops organisieren sie, in denen sie sich mit rechtsradikalem Gedankengut auseinandersetzen.
Manchmal müssen sie sich beschimpfen lassen, werden mit solchen Wörtern beworfen, die gar nicht wiederholt werden können. Das ist schlimm und zeigt, wie sehr sich manche ärgern, dass sie da sind.
Sie sind präsent in unserer Stadt.
Und möchten sich einsetzen für mehr Gelegenheiten und Räume, wo sich unsere Stadtgesellschaft austauscht und auch die Stadt zu aktuellen Bürgerthemen mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommt.
Sie wünschen sich, dass Entscheidungsträger ihre Haltung zeigen, dass sie ihre Spielräume nutzen und für die demokratischen Werte werben.
Auch eine deutlichere Positionierung gegen rechts erhoffen sie sich von den Verantwortlichen unserer Stadt
Immer mehr arbeiten sie mit freien Trägern zusammen, unterstützen Geflüchtete (Schwimmhilfe, Museumsbesuch, Lesung),
Sie vernetzen sich mit anderen engagierten Gruppen mit ähnlichen Zielen in Chemnitz. Und sehen sich als Teil der demokratischen Mehrheitsgesellschaft, die sich – gerade in unserer Stadt – deutlicher im öffentlichen Raum zeigen sollte.
Für die Zugehörigkeit zur bundesweiten Bewegung bleiben sie bei dem Namen mit dem GEGEN, wenngleich ihre Projekte „für“ eine demokratische und freie Gesellschaft sind.
Sie möchten andere ermutigen nach dem Motto viele kleine Taten an vielen kleinen Orten können diese Welt verändern.
Mit dem 3. Platz des 22. Chemnitzer Friedenspreises ehrt die Jury die Omas gegen rechts aus unserer Stadt.
für ihren Einsatz für Demokratie, für gleiche Rechte aller in Deutschland lebenden Frauen, Männer und Kinder, für die Erhaltung der sozialen Standards, die von Eltern und Großeltern erkämpft wurden, für den Respekt, den sie zeigen gegenüber anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unabhängig von ihrer Religion und ethnischen Zugehörigkeit.
Die Chemnitzer Gruppe der Omas gegen rechts wird geehrt für ihr großes Engagement als ältere Frauen und Männer für den Frieden in unserer Stadtgesellschaft und das Wohlergehen der kommenden Generationen.